Am 7. Dezember 2013 erlebte ich einen Wendepunkt in meinem Leben, der mich auf eine Reise führte, die mich nicht nur als Sportler, sondern vor allem als Mensch grundlegend veränderte. Es war meine erste Saison beim HC Ambri-Piotta nach fünf Jahren beim EV Zug, und ich hatte mich schnell in meinem neuen Team eingelebt. Die Saison lief für uns überragend, und als kleiner Club in der National League standen wir zur Saisonmitte sensationell in den Top 4. Die Unterstützung in der Leventina war überwältigend – gefühlt stand jeder Einwohner hinter uns und feierte unsere Erfolge mit voller Leidenschaft. Für mich persönlich hätte es nicht besser laufen können. Ich war angekommen, fühlte mich im Team wohl und war motiviert, noch mehr Verantwortung zu übernehmen.
Doch dann kam das Heimspiel gegen Fribourg-Gottéron. Während ich mit Tempo durch die Mittelzone fuhr, wurde ich plötzlich von der Seite von einem Gegenspieler mit voller Wucht am Knie getroffen. Der Schmerz war augenblicklich, und tief in mir wusste ich sofort, dass etwas Schlimmes passiert war. Die Diagnose bestätigte meine schlimmsten Befürchtungen: Kreuzbandriss, Innenbandriss und eine Meniskusverletzung. Die Prognose? 6 bis 9 Monate Pause – eine harte Pille für einen 24-Jährigen, der gerade dabei war, sich bei seinem neuen Club zu beweisen.
Allein inmitten des Kollektivs
Von einem Tag auf den anderen war ich nicht mehr Teil des Teams, sondern ein Zuschauer – und das war eine der härtesten Lektionen. Als Teil eines Kollektivs fühlte ich mich plötzlich komplett allein. Meine Eltern nahmen mich wieder bei sich auf und kümmerten sich aufopferungsvoll um mich, doch mit 24 Jahren sehnt man sich nach Unabhängigkeit, und so fühlte ich mich oft zerrissen zwischen Dankbarkeit und dem Wunsch nach Eigenständigkeit. Meine Teamkollegen waren mitten in der Saison, was bedeutete, dass kaum Zeit blieb, mich zu besuchen. Das Gefühl der Isolation wuchs.
In dieser Zeit begann ich zum ersten Mal, mich intensiv mit meiner mentalen Verfassung auseinanderzusetzen. Ich hatte bereits in meiner Zeit in Zug Kontakt zu einem Mentalcoach, und glücklicherweise hielt ich diesen Kontakt aufrecht. Unser erster Termin war eine Offenbarung. Ich wollte kein Mitleid, sondern jemanden, der mich verstand, und genau das fand ich in diesen Gesprächen. Zum ersten Mal begann ich, mich zu reflektieren – mich selbst wirklich kennenzulernen. Ich erkannte, dass mein Verstand seit meiner Kindheit Filter aufgebaut hatte, die meine Wahrnehmung der Welt beeinflussten.
Die Kraft der Reflexion und das Entdecken neuer Werkzeuge
Wir arbeiteten besonders an meiner sensiblen Seite, und ich verstand, dass jeder Mensch unabhängig vom Geschlecht sowohl eine sensible als auch eine starke Seite in sich trägt. Wenn man sich dieser Tatsache nicht bewusst ist, lebt man oft im inneren Konflikt. Diese Erkenntnis veränderte meine Sicht auf mich selbst grundlegend. Während dieser Zeit entdeckte ich auch viele meiner unterbewussten Blockaden. Themen wie Gedankenkontrolle, Selbstgespräche und das Fördern von Ruhe und Gelassenheit rückten in den Fokus. Ich lernte, dass ich eine Präferenz für Routine und Ordnung entwickelt hatte – etwas, das mir half, meine Reha gut zu strukturieren. Diese Planung gab mir Halt und Motivation.
Zusätzlich entdeckte ich Werkzeuge, die mir halfen, meine psychische Verfassung positiv zu beeinflussen. Ich begann, jeden Arztbesuch gründlich vorzubereiten, Fragen zu notieren und proaktiv Feedback einzuholen. Diese kleinen Schritte halfen mir, mich wieder sicherer und handlungsfähiger zu fühlen. Zum ersten Mal hatte ich die Zeit, wirklich über mich selbst nachzudenken und mein Verhalten zu analysieren. Diese Auseinandersetzung wurde zur Basis für alles, was danach kam.
Mein Comeback und der Weg zur neuen Leidenschaft
Trotz der schwierigen Zeit schaffte ich mein Comeback – und was für eines! Mein erstes Spiel nach der Verletzung war das Derby gegen Lugano, bei dem ich massgeblich am entscheidenden Siegtor beteiligt war. Doch ich wusste, dass ich noch nicht vollständig „zurück im Spiel“ war. Eines war aber klar: Ohne die mentale Unterstützung hätte ich dieses Comeback nicht geschafft.
In dieser Phase entdeckte ich auch meine zweite grosse Leidenschaft: das Coaching. Es ging dabei nicht nur um Wissen, sondern um meinen Charakter und meine emotionale Intelligenz. Um jedoch meinen neuen Weg fundiert weiterzuentwickeln, entschied ich mich, mein psychologisches Wissen zu vertiefen und absolvierte nach meinem Comeback erfolgreich das CAS-Diplom für psychologisches und mentales Training an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW). Diese Ausbildung gab mir das notwendige theoretische Wissen, um meine praktischen Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Zeit der Verletzung sinnvoll zu ergänzen.
Schlussfolgerung: Warum mentales Training jedem helfen kann
Ich habe gelernt, geduldiger zu sein und die kleinen Schritte zu schätzen. Im Moment zu leben und nicht ständig in die Vergangenheit oder Zukunft zu blicken, hat mir nicht nur im Sport geholfen, sondern in jedem Lebensbereich. Auch wenn ich nicht jedem empfehlen würde, sich so intensiv mit sich selbst auseinanderzusetzen, wie ich es getan habe, kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass mentales Training mich weiterentwickelt hat. Jeder sollte sich mit seiner mentalen Verfassung beschäftigen – egal ob im Sport, im Beruf oder im Alltag.
Mentales Coaching hat mein Leben verändert, und ich freue mich, diese Erfahrung und mein Wissen heute an andere weitergeben zu dürfen.